Newsletter 04/2024

Liebe ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer,

es ist doch ganz erstaunlich, wie vielfältig Ihr Ehrenamt ist: Sozialrecht, Mietrecht, Steuerrecht und sogar das Datenschutzrecht kann Berührungspunkte zu Ihrem Ehrenamt haben. Lesen Sie dazu den Fall, den wir in diesem Newsletter in der Rubrik Rechtsprechung vorstellen.

Bei dieser Fülle an rechtlichen Berührungspunkten kann es manchmal schwierig sein, sich in die Materie einzufinden. Zudem ist der Gesetzgeber aktiv und deshalb sind Gesetze oft von Änderungen betroffen. Zögern Sie nicht, unser Team anzusprechen, wenn Sie Unterstützung bei Ihrem anspruchsvollen Ehrenamt benötigen. Wir unterstützen Sie gern und beantworten Ihre Fragen persönlich, per E-Mail oder per Telefon.

Ich wünsche Ihnen eine schöne Vorweihnachtszeit und ein fröhliches Weihnachtsfest. Kommen Sie gut ins neue Jahr!

Herzliche Grüße

Ihr Christoph Überschär

Aktuelle Rechtsprechung

Gesetzlicher Betreuer muss seinem ehemaligen Betreuten Auskunft geben

Gesetzliche Betreuerinnen und Betreuer sind auch ehemaligen Betreuten zur Auskunft über die sie betreffenden Daten und Informationen verpflichtet, die zurzeit ihrer Betreuung von der betreuenden Person erhoben wurden.

Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 11.07.2024, Rs. C-461/22

Das ist passiert

Ein deutscher Rechtsanwalt ist zum gesetzlichen Betreuer eines Mannes bestellt worden. Von vornherein war vorgesehen, dass er diese Betreuung nur so lange führen sollte, bis eine andere Person diese Aufgabe übernehmen könne. Die beiden hatten ein persönliches Verhältnis zueinander und kannten sich aus privatem Umfeld.

Als ein neuer Betreuer gefunden worden war, erhob der ehemalige Betreute Klage gegenüber dem Rechtsanwalt, um die Schlussrechnung überprüfen zu lassen und er verlangte zudem nach Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) Auskunft über die während seiner Betreuung von dem Rechtsanwalt erhobenen Daten.

Zu diesem Zweck stellte der ehemalige Betreute beim Amtsgericht Hannover einen Antrag auf Prozesskostenhilfe, das diesen Antrag, soweit er den Auskunftsantrag gemäß Art. 15 DSGVO betraf, zurückwies. Das Amtsgericht Hannover war der Ansicht, dass ein im Rahmen seiner Berufsausübung tätiger Betreuer kein „Verantwortlicher“ im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO sei. Ein „Verantwortlicher“ in diesem Sinne ist eine Person, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Darüber hinaus regele die DSGVO das Verhältnis zwischen betroffenen Personen und Verantwortlichen. Ein gesetzlich bestellter Betreuer sei aber gemäß § 1902 Bürgerliches Gesetzbuch (jetzt § 1823 BGB) der gesetzliche Vertreter der betroffenen Person. Daher dürften die die betreute Person betreffenden personenbezogenen Daten durch den Betreuer oder die Betreuerin im Namen der betreuten Person selbst verarbeitet werden, ohne dass es ein – nach dem in der Rechtsprechung deutscher Gerichte verwendeten Ausdruck – „Gegenüberverhältnis von Betreuer und Betroffenem“ gäbe.

Der Betreute focht die Ablehnung seines Prozesskostenhilfeantrags vor dem Landgericht Hannover an, weil er mit der Entscheidung, dass ihm das Auskunftsverlangen verweigert wurde, nicht einverstanden war. Das Landgericht Hannover hatte Zweifel, ob eine Person, die die Aufgaben des Betreuers berufsmäßig wahrgenommen hat, als „Verantwortlicher“ im Sinne der DSGVO eingestuft werden kann und nach der DSGVO auskunftspflichtig ist. Deshalb wandte es sich an den EuGH, um diese Frage prüfen zu lassen. Der Rechtsstreit in Deutschland kann erst nach Klärung dieser Fragen fortgeführt werden.

Darum geht es

Der EuGH muss über folgende Fragen vorab entscheiden:

1. Ist der gesetzlich bestellte Betreuer, der diese Tätigkeit berufsmäßig ausübt, Verantwortlicher im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO?

2. Muss der gesetzlich bestellte Betreuer Auskunft nach Art. 15 DSGVO erteilen?

Die Entscheidung

Die Bestimmungen der DSGVO müssen laut EuGH dahin gehend ausgelegt werden, dass der ehemalige Betreuer, der seine Aufgaben in Bezug auf eine unter seine Betreuung gestellte Person berufsmäßig wahrgenommen hat, als „Verantwortlicher“ für die Verarbeitung der diese Person betreffenden personenbezogenen Daten, die sich in seinem Besitz befinden, einzustufen ist. Also ist der Rechtsanwalt „Verantwortlicher“ im Sinne der DSGVO und muss gegenüber seinem ehemaligen Betreuten Auskunft erteilen. Dagegen spricht in diesem Fall auch nicht der Umstand, dass sich der Rechtsanwalt und der Betreute persönlich kannten.

Der EuGH klärt aber nicht auf, inwieweit ein ehrenamtlicher Betreuer oder eine ehrenamtliche Betreuerin „verantwortlich“ im Sinne der DSGVO sind und ob, im Fall des Ehrenamts von den gleichen Voraussetzungen auszugehen ist.

Das bedeutet die Entscheidung für die Praxis

Die Entscheidung ist noch nach altem Recht ergangen. Nach der Reform des Betreuungsrechts wäre es wohl noch klarer gewesen: Die Autonomie der Betreuten gegenüber der betreuenden Person soll gestärkt werden.

Deshalb war die Entscheidung, dass die jeweils betreuende Person ein Verantwortlicher im Sinne des Datenschutzrechts ist, richtig. Betreute sollen auch von ehemaligen Betreuern und Betreuerinnen Auskunft über die Daten verlangen können.

                                                                               Quelle: Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 11.07.2024, Rs. C-461/22

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Veranstaltungen

Stammtisch für Betreuerinnen und Betreuer

Treffen Sie sich mit anderen Betreuungspersonen und Bevollmächtigten sowie den Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern der Betreuungsvereine, tauschen Sie sich in ungezwungener Atmosphäre aus und profitieren Sie von den Erfahrungen anderer für Ihre Arbeit.

Von anderen hören und lernen, Erlebtes teilen und eine gute Zeit gemeinsam verbringen – unser Stammtisch findet in der Regel an jedem ersten Donnerstag im Monat statt.

Termin:               Jeweils am Donnerstag, 05.12.2024, 09.01., 06.02.2025, 18:00–20:00 Uhr
Ort:                       Achathotel Zum Schwan, Hauptstraße 25, 55743 Idar-Oberstein

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Außensprechstunden in Birkenfeld

Termine: Donnerstag, 19.12.2024, 14:00–16:00 Uhr

Ort: Alte Schule, Am Kirchplatz 13, 55765 Birkenfeld

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Außensprechstunden in Baumholder

Termine: Mittwoch, 18.12.2024, 14:00–16:00 Uhr

Ort: Altes Rathaus, Hauptstraße 10, 55774 Baumholder

Bitte melden Sie sich zu den Außensprechstunden immer per Telefon unter 06781 667421 oder per E-Mail unter betreuungsverein@awo-birkenfeld.de an.

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News

Gesetzliche Änderungen im Jahr 2025 im Überblick

Kurz und knapp finden Sie hier die gesetzlichen Änderungen zum Jahresbeginn 2025 zusammengefasst, die Sie oder Ihr Ehrenamt betreffen könnten.

Ab Mitte Januar beginnt die automatische Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten. Wir haben bereits ausführlich im ersten Newsletter dieses Jahres darüber berichtet. Möchten Sie nicht, dass Ihre Daten in einer ePA erfasst werden, dann können Sie bei Ihrer Krankenkasse widersprechen.

Das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) sieht vor, dass Leistungsbeiträge der Pflegeversicherung im häuslichen, im teil- und vollstationären Bereich zum Jahresbeginn um 4,5 Prozent angehoben werden. Wie hoch die Leistungen für Sie persönlich ausfallen, wird erst zum Jahreswechsel feststehen.

Nach vorläufigen Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung können Rentnerinnen und Rentner ab dem 01.01.2025 ein Rentenplus von 3,5 Prozent erwarten.

Der gesetzliche Mindestlohn steigt zum 01.01.2025 auf 12,82 Euro pro Stunde. Mit der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns steigt ab 2025 auch die Verdienstgrenze für Minijobs – von aktuell 538 Euro auf 556 Euro. Wichtig für Betreute, die Mindestlohn erhalten: Sie können 2025 in demselben Stundenumfang weiterarbeiten, ohne Sozialversicherungsbeiträge zahlen zu müssen. Der maximale Jahresverdienst eines Minijobbers oder einer Minijobberin erhöht sich damit von 6.456 Euro auf 6.672 Euro.

Im Durchschnitt steigt der Zusatzbeitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung von 1,7 Prozent um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent. Zudem soll der Beitragssatz für die Pflegeversicherung bereits zum Jahresbeginn um 0,2 Prozentpunkte steigen. Dem muss allerdings noch der Bundesrat zustimmen.

Dieses Gesetz hat zum Ziel, die Integration in der Gesellschaft weiter voranzutreiben. Am 28.06.2025 tritt dieses Gesetz in Kraft. Es definiert Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen, die nach dem 28.06.2025 in den Verkehr gebracht bzw. für Verbraucherinnen und Verbraucher erbracht werden. Dies umfasst u. a. den gesamten Online-Handel, Hardware, Software, aber auch den überregionalen Personenverkehr und Bankdienstleistungen.

Es geht um Produkte, die barrierefrei genutzt werden sollen – nicht um reine Dienstleistungen. Bei elektronischen Dienstleistungen greift die Regelung erst, wenn das Unternehmen mindestens zehn Mitarbeiter beschäftigt oder einen Jahresumsatz von mehr als zwei Millionen Euro erzielt.

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Hätten Sie es gewusst?

Bedarf eine Erhöhung der Unterbringungs- und Verpflegungskosten in einem Heim der Zustimmung der Bewohnerinnen und Bewohner?

Ja, bekräftigte das Oberlandesgericht Zweibrücken in seinem Urteil vom 20.08.2024 (Az. 8 U 62/23). Die Entscheidung wird damit begründet, dass § 9 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) voraussetzt, dass eine Erhöhung ohne Zustimmung der zu Pflegenden nicht rechtens ist.

Der Entscheidung lag ein Rechtsstreit über eine Erhöhung der Verpflegungs- und Unterbringungskosten in einem Heim zugrunde. Ein Verbraucherverein war der Ansicht, dass die Begründung für die Kostensteigerung nicht nachvollziehbar sei.

Der entsprechenden Unterlassungsklage des Verbrauchervereins gab das Oberlandesgericht statt. Das Schreiben zur Erhöhung der Kosten beinhalte keinen eindeutigen Umlagemaßstab, so das Gericht. Insbesondere erweckte es aber den Anschein, dass die Erhöhung allein aufgrund des Schreibens und nach Ablauf der dort genannten Frist eintrete. Genau dieser Eindruck müsse aber vermieden werden, denn den Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern muss klar sein, dass sie ein Zustimmungsrecht haben.

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Über Lob freuen wir uns, Kritik nehmen wir ernst!

AWO-Betreuungsverein für den Kreis Birkenfeld e.V.

Hauptstraße 531–533

55743 Idar-Oberstein
betreuungsverein@awo-birkenfeld.de

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